Film des Monats: Juni 2011

Auf einer der größten Müllkippen der Welt, dem Jardim Gramacho bei Rio de Janeiro, hat der Künstler Vik Muniz, der aus Brasilien stammt, aber in New York lebt und arbeitet, über knapp drei Jahre hinweg ein faszinierendes Kunstprojekt realisiert. Es ist soziale Recherche und politische Aktion, Kalkül und Experiment, Inszenierung, Therapie und Spektakel zugleich. Seine Akteure sind die „catadores“, die Müllsammler, Spezialisten des Recycling, die in Schmutz und Gestank wiederverwertbares Material sammeln und verkaufen. Mit ihnen stellt Muniz berühmte Gemälde nach, erstellt großformatige Fotografien, die mit Material aus dem Müll nachgezeichnet und erneut fotografiert werden. Aus diesen Verwandlungen entsteht die “Serie der Müllbilder”, die in Ausstellungen international erfolgreich ist und auf dem Kunstmarkt hohe Preise erzielt. Die “catadores” begreifen, welch kreatives Potential sie besitzen, und beginnen, sich eine neue Existenz aufzubauen.

Wie aus Abfall ein eigener Markt entsteht, auf dem Menschen ihr Auskommen haben, und wie Müll sich in Kunst verwandelt, in der Menschen sich selbstbewusst wiedererkennen können, zeigt und reflektiert die Regisseurin Lucy Walker aus unterschiedlichen Perspektiven. Ihr „Making of“ der Müllbilder wird selbst Teil des Projekts, seiner kommunikativen und medialen Dimensionen von der Sozialreportage bis zum Marketinginstrument. Die Verwandlung des Wertlosen in Wertvolles, Kern des Recycling wie der Kunst, löst einen Prozess der Veränderung sowohl bei den Protagonisten als auch im gesellschaftlichen Leben aus. Über der Euphorie des Gelingens verliert der Film die beklemmenden Lebensbedingungen der „catadores“ nie aus den Augen: Valter, den weisen Poeten der Mülldeponie und Recycling-Guru, hat die Arbeit krank gemacht – mit tödlichem Ausgang. Die an den Rand Gedrängten gehören ins Zentrum, weil sie der Gesellschaft wiedergeben, was sie dringend braucht: den Respekt vor der Würde des Einzelnen.