Film des Monats: Februar 2011
Über vier Jahreszeiten hinweg begleitet der Film das Leben des Ehepaares Tom und Gerrie, beide um die sechzig Jahre alt. Sie arbeitet als Therapeutin im Gesundheitsamt, er ist Geologe. Ihr kleines Londoner Häuschen mit Schrebergarten ist Zufluchtsort für Familienmitglieder und Freunde, die bei Essen und Trinken ihr Herz ausschütten können. Mary, die Freundin von Gerrie, flüchtet vor der Einsamkeit in den Alkohol, weil ihre Sehnsucht nach einem Lebenspartner unerfüllt geblieben ist (Frühling). Ken, Toms Freund aus Hull, beklagt sein Singledasein und sucht nach einem Zuhause (Sommer). Joe, der Sohn, stellt seine neue Freundin Katie den Eltern vor. Doch Mary reagiert feindselig und eifersüchtig und stellt die Freundschaft auf eine harte Probe. (Herbst) Toms Bruder Ronny findet nach dem Tod seiner Frau in ihrem Haus für einige Zeit Aufenthalt und Rücksichtnahme (Winter). Ein Blick auf die hilfsbedürftige Gestalt Marys inmitten der am Tisch Versammelten steht am Schluss.
In großartiger Verdichtung eines Jahresablaufs stellt der Film das Lebensgefühl eines älteren Paares in den Mittelpunkt. Ihr vertrauter, über Jahre hinweg gewachsener Umgang miteinander, die alltägliche Arbeit in Garten, Haus und Beruf und die Zuwendung zu Familienmitgliedern und Freunden bilden das Fundament einer undramatischen Menschlichkeit, die verlässlich und angesichts der Verletzbarkeit des Lebens unverzichtbar ist. Der Film entwirft keine verklärte Idylle; er weicht den Belastungen und Verwundungen der Einzelnen nicht aus. Mike Leighs Regie bewährt sich in der Zeichnung eigenwilliger Charaktere, deren Mängel und Schwächen sie an die Grenzen der Zumutbarkeit und Selbstzerstörung führen und damit das Bedürfnis nach sozialer Harmonie herausfordern. Im Kontrast zu den Normen von Funktionalität, Leistungsfähigkeit und Erfolg lenkt der Regisseur den Blick auf die Bedeutung von Freundschaft und Familie in einer individualisierten und alternden Gesellschaft.
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