Film des Monats: November 2008
Der Mann hat ein MG an sich gerissen, ist in die Mitte der Straße gestürzt und schießt wild, auf Häuser, Plakate, unsichtbare Angreifer, während er sich um sich selbst dreht – in einem furchtbaren Totentanz. Die Straßen sind die von West-Beirut, der Mann ist israelischer Soldat, die Szene Teil einer Spurensuche. In „Waltz with Bashir“ bearbeitet der 1962 in Haifa geborene Regisseur Ari Folman ein historisches Geschehen, das für Israel ebenso beschämend und traumatisch ist wie Vietnam für die USA. Es geht um den Libanonkrieg von 1982 und speziell die Morde, die christliche Phalangisten in Sabra und Shatila an palästinensischen Flüchtlingen begingen – unter den Augen der israelischen Armee. Folman war selbst als junger Wehrpflichtiger dabei, und er hat ehemalige Kameraden nach ihren Erinnerungen befragt. Die Fakten, die seine Ermittlungen erbringen, sind freilich seit langem bekannt.
Fakten bilden auch nicht den Fluchtpunkt des Films. „Waltz With Bashir“ ist keine nüchterne Dokumentation; auf historisches Bildmaterial wird mit Bedacht verzichtet. Kampfhandlungen, Albträume und Fluchtphantasien entfalten sich vielmehr in einem wilden Strom von Illustrationen - Zeichnungen in rohem Strich, mit phantastischen Lichteffekten, in giftigen Farben. Diese Comic-Ästhetik verschafft dem Film die Freiheit, das innere Erleben der Beteiligten sichtbar und den Schrecken der Massaker wieder spürbar zu machen. Die Künstlichkeit der Bilder „löscht“ gewissermaßen die zahllosen Aufnahmen von Kriegen und Toten, die alltäglich im Fernsehen über uns hereinbrechen und den Zuschauer gegenüber dem Leid abstumpfen lassen. Am Ende von Folmans Spurensuche ist es möglich, nicht nur ein spezielles historisches Verbrechen neu zu sehen. „Waltz with Bashir“ zeigt auf radikale, höchst originelle Weise, wie Terror, Angst und Verdrängung zusammenwirken. Und: Wie sich die Moral und das Gedächtnis wieder einsetzen lassen.
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