Film des Monats: Juli 2006
Die alleinerziehende Esma lebt mit ihrer 12-jährigen Tochter Sara in Grbavica, einem Stadtteil von Sarajewo. Für Mutter und Tochter gilt es zunächst, den Alltag zu bewältigen. Die soziale Unterstützung reicht nicht aus, so dass Esma eine Stelle als Kellnerin in einem Nachtklub annimmt. Sara verliebt sich zum ersten Mal und freut sich auf die bevorstehende Klassenfahrt. Mit kindlichem Stolz erzählt sie die Geschichte, dass ihr Vater als Kriegsheld, als Schechid, an vorderster Front gefallen ist. Als sie ein amtliches Dokument über seinen Tod benötigt, weicht ihr die Mutter aus. Saras immer drängendere Fragen finden keine Antwort. In einem dramatischen Gespräch bricht die Wahrheit aus Esma heraus: sie wurde im Krieg mehrfach vergewaltigt und schwanger. Das Kind, das sie nicht haben wollte, konnte sie jedoch nach der Geburt nicht verstoßen. Um sich und die Tochter zu schützen, hat sie die Vergewaltigung verschwiegen.
Die vergewaltigte Frau als Opfer des Krieges mit ihren traumatischen Erfahrungen steht im Mittelpunkt des Films. Auch in der Nachkriegsgesellschaft Sarajewos gibt es wenig Raum für ihr Leiden, ihre Demütigung und ihre tiefen psychischen Verletzungen. In einem von männlicher Dominanz und ungebrochenem Sexismus geprägten sozialen Umfeld findet sie nur in einer Selbsthilfegruppe für im Krieg vergewaltigte Frauen eine gelegentliche Zuflucht. Die Enthüllung ihrer Erfahrung erhellt rückblickend ihre manchmal ängstlich, manchmal aggressiv erscheinenden Reaktionen ebenso wie die Bedeutsamkeit von Gesten weiblicher Solidarität. Auf diesem differenzierten Psychogramm beruht die Überzeugungskraft des Films. Ob die Wunden des Krieges langsam vernarben, hängt davon ab, inwiefern die Opfer der unsäglichen Gewalttaten gehört und verstanden werden. Mutter und Tochter brauchen das Gefühl der Zugehörigkeit, um unter dem schrecklichen Schatten der Vergangenheit eine gemeinsame Zukunft finden zu können.
Boxhagener Str. 18, Berlin Tel.:+49 030 283 65 30, Fax: +49 030 283 65 33, ventura.film@snafu.de, http://www.ventura-film.de