Film des Monats: Dezember 2001

Kreischend fressen sich die Schrauben ins Holz. Den letzten Blick auf den tödlich verunglückten Andrea verkürzt die Geschäftigkeit der Bestatter. Der Sargdeckel wird vor den Augen von Andreas Schwester Irene zweifach gesichert. Weinend hat sich die Mutter Paola bereits zurückgezogen, während Giovanni, der Vater, wie abwesend daneben steht. Eine Messe, die Irene mit Unterstützung von Freunden bestellt hat, spendet keinen Trost.Nanni Moretti, der italienische Regisseur, der in seinem Film DAS ZIMMER MEINES SOHNES die Rolle des Vaters selbst spielt, beschreibt tagebuchartig den unerwarteten Einbruch des Todes in die geordnete Kleinfamilie und den beruflichen Alltag eines scheinbar unerschütterlichen Psychoanalytikers. Der Schmerz isoliert die Familienmitglieder, keiner kann dem anderen helfen. Giovanni quält sich mit dem Vorwurf, eine Verabredung mit Andrea nicht eingehalten zu haben und stattdessen dem Hilferuf eines Klienten gefolgt zu sein, als hätte er den Lauf der Dinge ändern können. Seine Ehe droht zu zerbrechen, zumindest vorläufig stellt er seine Praxis ein. Der plötzlich auftauchende Brief einer unbekannten Freundin und Selbstauslöser-Fotografien aus Andreas Zimmer geben der Zerfallsgeschichte eine Wende, hin zu einem offenen Schluss.

Eine labyrinthische Zimmerflucht, die Praxis und Wohnung miteinander verbindet, verschränkt visuell Beruf und Familie, soziale und private Sphäre. Darin spiegelt sich auch die Spannung zwischen Intimität und Distanz in Giovannis Arbeit als Psychoanalytiker. Durch eine einfache Erzählstruktur, die Direktheit seiner Bilder und die einfühlsame Musik von Nicola Piovani ("La vita é bella") gelingt es Moretti, Sensibilität für die individuelle Trauer über traumatische Verluste und die Zerbrechlichkeit einer geordneten Existenz zu erzeugen.