Film des Monats: Oktober 2004

Robert S. McNamara ist eine der umstrittensten Figuren der amerikanischen Zeitgeschichte. Als Verteidigungsminister unter Kennedy und Johnson war er einer der Hauptverantwortlichen im Vietnamkrieg. In "elf Lektionen" reflektiert er sein politisches Leben. Der Regisseur korrigiert McNamaras Sicht der Geschichte nicht, sondern vertraut auf die Fähigkeit des Zuschauers, sich eine eigene Meinung zu bilden.

McNamara verblüfft durch provokante Einsichten in die Moral und Ethik politischen Handelns und die Logik militärischen Denkens. Er schildert die massiven Bombardierungen japanischer Städte im März 1945, an denen er beteiligt war, bei denen mehr Zivilisten getötet wurden als durch den Abwurf der Atombombe. Hätten die USA den Krieg verloren, räsoniert er, wären er und der verantwortliche General Le May als Kriegsverbrecher verurteilt worden.

"Versetze Dich in Deinen Feind", lautet eines seiner Grundprinzipien, dessen Bedeutung er während der Kubakrise erkannte. Kennedy folgte damals diesem Grundsatz und vermied so eine nukleare Katastrophe. McNamaras Bereitschaft, sich dem früheren Gegner anzunähern, zeigt seine Teilnahme an den Veranstaltungen zum zwanzigjährigen Jahrestag des Kriegsendes in Vietnam. Erfolglos versuchte er Johnson seinerzeit vom Abzug amerikanischer Truppen in Vietnam zu überzeugen. Blinde Flecken weisen seine Reflexionen jedoch auf, wenn es um die eigene Verantwortlichkeit geht.

Aus Interviews, Archivmaterial und jüngst freigegebenen Tonbandaufnahmen aus dem Weißen Haus ist ein facettenreiches Porträt des einstigen Politikers entstanden. Die Gespräche über Schuld und Verantwortung, in denen sich Einsicht, Blindheit und Logik eines Kriegsstrategen verbinden, fügen sich zu einem beunruhigenden Lehrstück über die Grenzen politischer Lernfähigkeit, von der das Überleben der Menschheit abhängt.