Film des Monats: März 2000
Irgendwo in Osteuropa im Jahr 1941: Um dem Schicksal benachbarter Gemeinden zu entgehen, beschließen die Bewohner eines Schtetls, der Verschleppung durch die Nazis durch eine fingierte Deportation zuvorzukommen. 'Bewacht' von Soldaten in selbstgenähten Wehrmachtsuniformen, bedroht von kommunistischen Partisanen, richtigen wie falschen Deutschen, machen sie sich in einem Geisterzug auf den Weg, der sie irgendwann nach Palästina führen soll. Ihre internen Konflikte nehmen sie freilich mit auf die Reise. Die aufmüpfigen jungen Leute proben den politischen und sexuellen Aufstand gegen die konservativen Alten, und alsbald regt sich auch Widerstand gegen die falschen Nazibewacher. Derweil rollt der Zug immer weiter ins Niemandsland zwischen den Fronten.
Radu Mihaileanu knüpft am Slapstick und am Filmmusical ebenso an wie an den von Chaplin und Lubitsch begründeten Traditionen eines komödiantischen Umgangs mit dem Nazi-Grauen. Mit den Stilmitteln der Parodie und der Groteske werden die kleinen Konflikte des Schtetllebens mit den großen weltanschaulichen Kämpfen des 20. Jahrhunderts verwoben. Etwa, wenn die Rote Zelle der Gemeinde mit viel revolutionärem Elan einen Zugsowjet gründet, oder wenn die Schönste des Dorfes munter nach einem Liebhaber sucht, um nicht jungfräulich in den Tod zu gehen. "Zug des Lebens" lässt bei all seiner absurden Komik den historischen Hintergrund nie vergessen, seine Kenntnis ist gerade die Voraussetzung für das befreiende Lachen, das der Film immer wieder provoziert. Ähnlich wie Roberto Benignis surreal-komödiantische Auseinandersetzung mit dem Holocaust in "Das Leben ist schön", wenn auch weniger abgründig, folgt "Zug des Lebens" dem ästhetischen Credo, dass dem Irrsinn der Realität nur der Irrwitz der Komödie standhält.
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