Film des Monats: September 2008

30 Jahre sind Inge und Werner verheiratet, er um die siebzig, sie Ende sechzig, ein vertrautes und liebevolles Paar mit der Aussicht auf  ein ruhiges gemeinsames Alter. Viel zu sagen brauchen sie nicht, sie verstehen sich auch ohne viele Worte. Doch dann verliebt sich Inge in den sechsundsiebzigjährigen Karl, erlebt Sex und Zärtlichkeit mit der ganzen Macht der Gefühle. Ihre Tochter rät ihr, die Geschichte mit Karl zu verschweigen. Doch sie will und kann ihre Leidenschaft vor ihrem Mann nicht verheimlichen und weiß, dass sie ihn damit tief verletzt. Endlose Auseinandersetzungen voller Enttäuschung, Unverständnis und Aggressivität münden in lähmende Ratlosigkeit. Ein Leben im Umkreis von Schrebergarten und Mietwohnung, von Hobbys wie Gesangsverein und Eisenbahn zerbricht. Inge hält an ihrer Liebesbeziehung fest und trennt sich von Werner, der sich resignierend zurückzieht. Ihre Entscheidung hat schließlich tragische Folgen.

Die sexuelle Vitalität und die emotionalen Bedürfnisse älterer Menschen zeigt dieser Film in ungewöhnlichen Bildern, die durch ihre Direktheit konventionelle Schaulust verstören. Improvisierte Dialoge verleihen dem Film eine Lebendigkeit, die angesichts der im Alter verbleibenden Zeit besonders berührt. Die Wucht neuer sexueller Erfahrung und der Wunsch, sich noch einmal verlieben zu können, werden im Blick auf alte Menschen oft verdrängt. Ganz anders als im Kino üblich sieht auch die Dramatik einer solchen Liebesgeschichte aus. Auf dem Spiel steht plötzlich die Gewissheit, gemeinsam alt zu werden und zu sterben, mit tiefgreifenden, existentiellen Folgen für alle Beteiligten. Die Kamera, die sich behutsam den Gesichtern und Körpern nähert, ersehnte, überraschende und verletzbare Gefühle entdeckt, erzählt das innere Drama jenseits von Peinlichkeit und Klischee. Die Würde des Alters besteht gerade darin, dass Gefühle und Bedürfnisse anerkannt werden, die das Leben in seiner Fülle, mit Glück und Schmerz, umfassen.