Film des Monats: August 2012
Eva, ehemals eine erfolgreiche Reisejournalistin, wird von schweren Träumen, quälenden Gedanken und Bildern heimgesucht, die um eine unfassbare Tat ihres Sohnes Kevin kreisen. Sie erinnert sich an Momente seiner Kindheit und Jugend, in denen von Anfang an Formen der Abweisung, Aggression und Ambivalenz immer wiederkehren. Sein Gewaltakt, nach dem er im Gefängnis sitzt, hat nicht nur ihre Familie zerstört, sondern auch ihr gesamtes soziales Umfeld. Sie wird am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft ausgegrenzt, verachtet und tätlich angegriffen. Immer wieder fragt sie sich, wie es zu seiner furchtbaren Tat kommen konnte. Eva fühlt sich schuldig an der Destruktivität ihres Sohnes und entdeckt im Rückblick viele Vorzeichen für die kommende Katastrophe. Trotz der erdrückenden Last hält sie an ihm fest und versucht ihn zu verstehen. Sogar eine erste Annäherung scheint möglich.
Zwischen den Erinnerungsbildern und den gegenwärtigen Erfahrungen Evas nimmt der Film das Publikum mit in einen Alptraum, dessen Schrecken nicht vergehen will. Die unerträgliche Spannung zwischen Mutter und Sohn ist in jedem Moment spürbar. Die seelische Verfassung der Hauptfigur wird im Stil eines Thrillers inszeniert. Abgründe der Fremdheit und des Nichtverstehens werden erkennbar, die Motive für die Katastrophe bleiben vieldeutig. Kevin ist nicht das personifizierte Böse, sondern eine Person, die der Familienroutine wie der Kälte einer auf Konformität und Egoismus beruhenden Gesellschaft den Spiegel vorhält. Mutter und Sohn sind sich auf den zweiten Blick näher als es den Anschein hat. Der Film entwirft mit seiner kunstvollen Komposition von Rückblenden, Traumsequenzen und Montagen einen Assoziationsraum, der nach den Ursachen zerstörter sozialer Beziehungen fragen lässt. Seine Stärke liegt darin, dass er den Wunsch nach eindeutigen Antworten immer wieder enttäuscht.
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