Film des Monats: Dezember 2005

Waiting for the Clouds (Bulutlari beklerken)
Regie: Yesim Ustaoglu
Drehbuch: Yesim Ustaoglu, Petros Markaris, nach einer Idee von George Andreadis
Deutschland, Frankreich, Türkei, Griechenland 2004

Die 60jährige Ayshe, Tochter orthodoxer Griechen, lebt in einem muslimischen Fischerdorf an der türkischen Schwarzmeerküste. Ihre Eltern kamen durch die Vertreibung der griechischen Minderheit in den Jahren 1916-23 ums Leben. Statt ihrem Bruder ins Waisenhaus zu folgen, ließ sie sich von einer türkischen Familie adoptieren. 50 Jahr lang verbarg sie ihre wahre Identität. Als ihre einzige Vertraute und geschwisterliche Freundin stirbt, erwachen ihre traumatischen Kindheitserfahrungen, insbesondere die Schuldgefühle, ihren Bruder allein gelassen zu haben. In ihrem Schmerz zieht sie sich von der Dorfgemeinschaft zurück. Nur der 10jährige Nachbarsjunge Mehmet, der sowohl den verlorenen Bruder als auch ein zukünftiges Leben repräsentiert, hält zu ihr Kontakt. Die Begegnung mit dem Emigranten Tanasis, als Kind ebenfalls vertrieben, führt sie zu dem Entschluss, nach Griechenland zu reisen, um ihren Bruder zu suchen.

Der Film von Yesim Ustaoglu greift das politisch tabuisierte Thema der Vertreibung und Vernichtung der Schwarzmeergriechen durch den jungen türkischen Staat auf. An der Protagonistin und der Dorfbevölkerung wird gezeigt, wie zerstörerisch sich staatlich gelenkter Nationalismus auswirkt. Im gemeinsamen Schweigen, in der versunkenen Erinnerung Ayshes und der kollektiven Verleugnung, entziffert die Erzählung allmählich die Spuren der Vergangenheit, eines Traumas, das die Gegenwart beschädigt. Der Film muß im Verlauf der Handlung die Wahrheit erst ausgraben, bis durch Ayshes tranceartiges Erzählen die Erinnerung fließen kann. Das Elend der Vertriebenen gibt dem Film den Grundton der Trauer, die sich in melancholischen Bildern eindrucksvoll widerspiegelt. Als Wiedergewinnung der eigenen Geschichte, Anerkennung von Schuld und Zeichen des Mitgefühls bildet er ein notwendiges Element in der Auseinandersetzung um das Selbstverständnis der gegenwärtigen türkischen Gesellschaft.

 

 

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Film-Credits
Deutschland, Frankreich, Türkei, Griechenland 2004
Produzent:
Setareh Farsi, Behrooz Hashemian; Co-Produktion: Flying Moon Filmproduktion, Potsdam, Ustaoglu Production, Istanbul, Ideefixe Films, Athen, ZDF/Arte, Mainz, Arte France Cinéma, Paris
Regie:
Yesim Ustaoglu
Drehbuch:
Yesim Ustaoglu, Petros Markaris, nach einer Idee von George Andreadis
Kamera:
Jacek Petrycki
Schnitt:
Timo Linnasalo, Nicolas Gaster
Musik:
Michael Galasso
Darsteller:
Rüçhan Caliskur (Ayshe/Eleni), Ridvan Yagci (Mehmet), Ismail Baysan (Chengiz), Dimitris Kamberidis (Tanasis) u.a.
Format:
35mm, Farbe 88 Min.
Verleih:
mîtosfilm
Gabriel-Max-Str. 8, Berlin Tel.:+49 030 54 71 95 46, Fax: +49 030 54 71 95 08, info@mitosfilm.com, www.mitosfilm.com
Preise:
23. Istanbuler Internationales Film Festival, Nationaler Wettbewerb: Spezialpreis der Jury, Preis für die beste Schauspielerin
FSK:
Ohne Angabe
Kinostart:
8.12.05