Film des Monats: November 2010
Zum Gedenken an den vor einigen Jahren tödlich verunglückten ältesten Sohn trifft sich die Familie einmal im Jahr im Haus der Eltern am Meer. Der in seinem Viertel geschätzte Arzt Yokoyama und seine Frau sind inzwischen alt geworden. Die Tochter hilft der Mutter bei der Vorbereitung des Essens. Ihr Bruder Ryota wäre am liebsten gar nicht gekommen. Er spürt, dass sein Vater ihn ablehnt. In dessen Augen hat er die falsche Frau, eine Witwe mit ihrem Sohn, den falschen Beruf, und ist im Augenblick auch noch arbeitslos. Umgekehrt ist Yokoyamas Autorität vom Alter längst untergraben, in Wahrheit hat die energische Mutter die Fäden in der Hand. Von der Ankunft der Kinder bis zu deren Abreise verbringt die Familie den Tag zusammen. Spannungen und frühere Verletzungen überschatten die Begegnung. Der tote abwesende Sohn und Bruder stellt alle vor die Frage, was die Familie zusammenhält und wie sie ihr Leben führen wollen.
Alle spielen ihre Rollen, aber keiner weiß, ob sie nicht falsch sind. Der Regisseur Hirokazu Kore-eda vermisst den Raum und die Zeit zwischen den Personen, er verdeutlicht an kleinen Gesten und Beobachtungen, wie sehr die Einzelnen auf die Familie angewiesen und zugleich eingeengt sind. Die Stimmung ist zwar friedlich und es fällt kein lautes Wort, aber unter der Oberfläche gärt es. Fehlende Anerkennung äußert sich in unterdrückten Aggressionen. Das Zubereiten des Essens trägt rituelle Züge, die Halt vermitteln in einer durchaus bedrohten Gemeinschaft. Die eigene Vergänglichkeit wird angesichts des toten Sohnes und Bruders zum Thema. Der Film ist eine Meditation über grundlegende soziale und existentielle Fragen, über die Beziehung der Generationen, über Zeit, Gedächtnis und Vergessen. Dahinter wird die Suche nach einer Lebensform erkennbar, die die Flüchtigkeit des Individuellen überdauert. Mit großer psychologischer und sinnlicher Raffinesse entfaltet der Film ein Familienpanorama, formvollendet und von universeller Gültigkeit.
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