Film des Monats: Januar 2002

Reise nach Kandahar
Regie: Mohsen Makhmalbaf
Drehbuch: Mohsen Makhmalbaf
Iran/Frankreich 2001

Die im Exil lebende Nafas erreicht aus Kandahar ein verzweifelter Hilferuf ihrer Schwester. Im Gefängnis der Talibanherrschaft kann sie nicht mehr existieren; am Tag der nächsten Sonnenfinsternis will sie sich das Leben nehmen. Illegal reist Nafas über den Iran nach Afghanistan ein. Ein Afroamerikaner, der als Muslim Gott suchte und nun als Arzt für die Ärmsten praktiziert, begleitet sie eine Wegstrecke ebenso wie ein Junge, der sich dem Drill einer Koranschule zu entziehen versucht. In einem Flüchtlingslager werden Minenopfer betreut, die Arme oder Beine verloren haben. In einem absurden Wettlauf auf Krücken versuchen sie, sich eine der Prothesen zu sichern, die, von einer Hilfsorganisation abgeworfen, an Fallschirmen in die Wüste herabschweben. Je näher Nafas Kandahar kommt, desto mehr verschwindet ihr Gesicht hinter dem Schleier der Burka, dem Gewand, das nach religiöser Vorschrift den Körper der Frau vollständig verhüllt. Nur dessen leuchtende Farben sind ein unübersehbares Signal für die Existenz der verborgenen Frauen. Kurz vor Kandahar wird Nafas mit einer Gruppe von Frauen, die einen Hochzeitszug begleiten, von Milizsoldaten weggeführt.

Makhmalbafs Film ist ein Hilferuf gegen das Vergessen und Verdrängen des menschlichen Elends in Afghanistan. Besonders betroffen sind von der politischen, sozialen und religiösen Unterdrückung die Frauen. In poetischer Freiheit werden die alltägliche Not und die Schönheit von Landschaft und Personen kunstvoll gegeneinander gesetzt, so dass gerade in der strengen Komposition und Choreographie der einzelnen Szenen einprägsame Bilder entstehen. Makhmalbaf setzt darauf, dass die Kraft der ästhetischen Verdichtung die öffentliche Aufmerksamkeit auf die afghanische Agonie zu lenken vermag. Auch nach dem Sturz des Talibanregimes hat der Film unverminderte Aktualität: denn er ist ein meisterhafter Versuch, dem andauernden Übersehen unfasslicher Not zu widerstehen und die Hoffnung auf die Wahrnehmung bitterer Erfahrungen wach zu halten.

Als Download (PDF):
Film-Credits
Iran/Frankreich 2001
Produzent:
Makhmalbaf Film House / Bac Films
Regie:
Mohsen Makhmalbaf
Drehbuch:
Mohsen Makhmalbaf
Kamera:
Ebraham Ghafouri
Schnitt:
Mohsen Makhmalbaf
Musik:
Mohamad R. Darvishi
Darsteller:
Niloufar Pazira (Nafas), Hassan Tantai (Tabib Sahib), Sadou Teymouri (Khak)
Format:
35 mm, Farbe, 85 Min.
Verleih:
Movienet Film GmbH
Rosenheimerstr. 52, 81669 München, Tel.:+49 089 489530-51, info@movienetfilm.de, www.movienetfilm.de
Preise:
Preis der Ökumenischen Jury, Cannes 2001
FSK:
ab 6
Kinostart:
3.1.2002