Film des Monats: November 1998
Den Autounfall, bei dem ihre Mutter ums Leben gekommen ist, hat die vierjährige Ponette mit kleineren Blessuren überstanden. Schwerer wiegen die seelischen Verletzungen. Hartnäckig sucht sie nach ihrer Mutter, spricht mit ihr und ist durch nichts davon zu überzeugen, daß sie sie nicht mehr finden wird.Vor allem die aggressive Reaktion des Vaters auf den nach seiner Ansicht selbstverschuldeten Tod kann sie nicht akzeptieren. Aber auch die Tröstungsversuche ihrer Tante, bei der sie der Vater vorübergehend unterbringt, helfen ihr nicht über ihre Trauer hinweg, ebensowenig die Gleichaltrigen in einem Feriencamp. Ihr Gottesglaube bestärkt sie im Wunsch nach einem Wiedersehen mit der Mutter.
Mit Ponette hat sich Jacques Doillon auf das besonders schwierige Gebiet der Grenzfahrungen von Kindern begeben. Der Film entgeht der Gefahr, seiner Thematik ein Erklärungsmuster aus Erwachsenensicht überzustülpen, indem er sich auf Augen- und Bewußtseinshöhe seiner kleinen Protagonistin begibt. Doillon inszeniert eine mögliche Perspektive kindlichen Umgangs mit einer traumatischen Verlusterfahrung und konzentriert sich in diesem - an äußerer Handlung armen - Film ganz auf die Gesichter seiner Darsteller, in denen sich deren seelische Reaktionen spiegeln.
Mutig, aber auch heikel ist der Schluß: Die Mutter erscheint der kleinen Ponette auf dem Friedhof ein letztes Mal, so wie die Tochter sie als Lebende in Erinnerung hat. Dieses von der Phantasie imaginierte Bild wirkt wie ein Bruch in der Erzählweise des Films. Zusammen mit der etwas sententiösen Botschaft der Mutter "Lerne, glücklich zu sein" verweist dieses Ende jedoch darauf, daß eine Bewältigung des Verlustes nur mit Hilfe lebendiger Erinnerung an den geliebten Menschen gelingen kann. Ponette ist ein außerordentlich beeindruckender Film über kindliche Trauerarbeit; zugleich auch einer über die Hilflosigkeit und Verdrängungen der Erwachsenen.