Film des Monats: Mai 1997
Auch in Kriegen finden Menschen eine Normalität, selbst wenn sie von der Zerstörung ihrer Umwelt und der Zerrüttung ihrer sozialen Beziehungen gezeichnet bleiben. Schauplatz einer solchen Normalität im Krieg ist die Stadt Mostar - in besseren Zeiten ein Sinnbild des Zusammenlebens unterschiedlicher Ethnien und Religionen auf dem Balkan. Heute ist dieser Mythos zerbrochen, sind die alten Brücken gesprengt. Die Menschen leben entwurzelt in den Ruinen und richten sich in den aufgebrochenen Feindschaften ein. Mit ihnen lebte zwei Jahre lang ein Deutscher, Hans Koschnick. Er sollte als Bevollmächtigter der Europäischen Union das zerstörte Gemeinwesen wieder in Gang bringen - ein Vorhaben, das zwar Erfolge bei der wiederhergestellten Grundversorgung zeitigte, aber keinen tragfähigen politischen Konsens in der Stadt zu schaffen vermochte. Eine durch den Krieg geprägte Gesellschaft erträgt die Rationalität eines Friedensstifters nicht. Pepe Danquart und Mirjam Quinte haben über Jahre hinweg die Normalität des Krieges in dem städtischen Mikrokosmos von Mostar aufgezeichnet. Unter Rückgriff auf das klassische Format der Wochenschauen und in der Montage von Standbildern, Interviews und Szenen des Alltags führen sie in die Wirrnisse des Nachkriegslebens hinein, immer wieder unterbrochen durch die Photos eines stummen Chronisten, dessen Gesicht die bleibenden Zerstörungen spiegelt. Die Fragilität der geschäftigen EU-Administration offenbart sich in bedrängenden Bildern vom Ende der Koschnick-Mission im wütenden Protest aufgehetzter Menschen. Als ob die beiden Filmemacher der Kraft ihrer eigenen Aussage nicht trauten, legen sie über die Bilder einen Text von Klaus Theweleit. Doch die Worte decken angesichts der Intensität des filmischen Materials nur die Leere dieses intellektuellen Kommentars auf. Der gleichwohl eindringliche Film zeugt von der bitteren Einsicht, daß Kriege nicht im Frieden enden.
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