Film des Monats: Juli 2013
Mit Plastiktüten voller Geld ist der Kofferraum des Autos gefüllt, mit dem eine Frau und ein Mann in einer entlegenen Bergregion des Iran unterwegs sind. An einer Straßensperre inszenieren sie einen lautstarken Wortwechsel, an dessen Ende sie dem Soldaten eine Tüte Geld in die Hand drücken. Völlig überrascht lässt er sie ohne Kontrolle passieren. Die beiden wollen das Geld verschenken. Doch die Wohltätigkeit ist an Bedingungen geknüpft: von einem wird verlangt, dass er seinem Bruder vom geschenkten Geld nichts abgibt; ein Lehrer, der gerade sein kleines Kind beerdigt, soll den Leichnam den Wölfen überlassen. Wie in einem Experiment will das Paar die jeweilige Geldübergabe durch Handyaufnahmen dokumentieren. Wer lässt sich moralisch korrumpieren und vergisst Pietät und Solidarität? Sollen die Kinder mehr bekommen als die Erwachsenen? Wer ist gierig, wer ist bescheiden? Darüber zerstreiten sich die beiden schließlich selbst. Aus dem zynischen Spiel wird bitterer Ernst.
Als satirische Parabel auf die unterschiedlichen Formen und Funktionen der Gabe, eines Grundelements sozialer Beziehungen, ist der Film entworfen. Im Islam ist die Gabe für die Armen (Zakat) eine der fünf elementaren Pflichten des Gläubigen. Bezogen auf den Iran beschreibt der Film gesellschaftliche Verhältnisse, in denen Wohltätigkeit zum Mittel moralischen Zwangs wird. Was als gute Tat gedacht war, verkehrt sich ins Gegenteil. Die Gabe wird zum Gift, das Menschen zu höchst unmoralischem Handeln nötigt. Das Geld funktioniert dabei als Bild für ein politisches Machtgefüge, für die Fähigkeit, Gewalt auszuüben. Die einzelnen Episoden spielen Variationen dieses zerstörerischen Ungeistes durch. Vertrauen, brüderliche Verbundenheit und menschliche Rücksichtnahme werden einer Zwangsbeglückung geopfert. Der Film stellt eine radikale Kritik an einer Gesellschaft dar, in der Willkür die sozialen, religiösen und moralischen Vorstellungen auf absurde Weise korrumpiert.
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