Film des Monats: November 1997
Der siebenjährige Ludovic, jüngster Sohn der Fabres aus der vorstädtischen Reihenhaussiedlung, putzt sich heraus mit Lippenstift, Ohrringen und rosa Kleid. Er träumt davon, ein Mädchen zu sein. In seiner kindlichen Vorstellungswelt trotzt er allen Versuchen von Elternhaus, Nachbarschaft und Schule, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Je hartnäckiger er auf spießbürgerliches Unverständnis stößt, um so mehr träumt er sich hinweg in "seine" rosafarbene Phantasie-Welt aus Werbebildern, Kinder-TV-Sendungen und "Barbie"-Puppen. Als er bei einer Schultheateraufführung in die Rolle des Schneewittchens schlüpft und den Kuß des "Prinzen" erwartet, kommt es zum Eklat. Das Familienleben gerät mehr und mehr aus dem Gleichgewicht, Ludovic muß die Schule wechseln, der Vater verliert seinen Job. Der Versuch eines Neubeginns nach dem Umzug der Familie in die Provinz erweist sich am Ende als Wiederkehr des Gleichen. Ludovic trifft auf Christine, die eigentlich lieber Chris sein möchte.
Alain Berliners Inszenierung hält die Balance zwischen heiteren und ernsten Momenten, indem sie kindliches Rollenhandeln vor der Phase der Pubertät zeigt. Der Film spielt mit der Einsicht, daß im Unterschied zu Rollenidentifizierungen Erwachsener bei Kindern die Suche nach Geschlecht und Identität noch nicht abgeschlossen ist. Glaubwürdig gelingt es dem Spiel des jungen Georges du Fresne, die prekäre Rolle zu verkörpern: ohne sich von "falscher" Identifikation leiten zu lassen und die Zuschauer dennoch emotional anzusprechen und in die Geschichte miteinzubeziehen. In seinen von der Farbdramaturgie grell überzeichneten, zuweilen kitschigen Bildern und Phantastereien versucht der Film, die Traumwelt der Kinder zu imaginieren. Aus dem Blickwinkel des Kindes beansprucht diese Welt eine durchaus eigene Realität, im Unterschied dazu erscheint die Welt der Erwachsenen verdreht. Deren hektisch übertriebenes Bemühen um "Normalität" mit all der Zwanghaftigkeit und Gewalt entlarvt sich immer wieder als Farce.
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