Film des Monats: Februar 2002

Marie-Line (Muriel Robin) ist als Schichtführerin einer Putzkolonne im Supermarkt eine gefürchtete Frau. Ihre Mitarbeiterinnen, meist illegale Einwanderer, treibt sie zur Arbeit an und kontrolliert ihre Taschen nach gestohlenen Waren. Mehrfach hat sie schon den Preis der "Putzstaffel des Jahres“ gewonnen. Ihr tristes Privatleben kompensiert sie durch ihren Joe-Dassin-Fanklub und mit Auftritten, auf denen sie ihren Star imitiert. Die Gleichgültigkeit, mit der sie den Problemen ihrer Kolleginnen zunächst begegnet, weicht, als von Marie-Line konkrete Hilfe gefordert wird: Sie versteckt frierende Illegale, nimmt die Kinder einer Ausgewiesenen bei sich auf und ist schließlich auch bei einer Geburt im nächtlichen Supermarkt behilflich.

Mit großem Einfühlungsvermögen in die Gefühle und Nöte seiner Personen inszeniert Regisseur Charef dieses Supermarkt-Kammerspiel. Vor allem gelingt es ihm, die Ambivalenzen seiner Hauptfigur differenziert herauszuarbeiten, die Härte, die sie zum Überleben braucht, ihren vermeintlichen Hang zur politischen Rechten wie auf der anderen Seite die Fähigkeit, Solidarität mit den gedemütigten Menschen in ihrer Umgebung zu üben. Auch wenn der Film seine Konflikte bisweilen allzu harmonisch auflöst und in seiner Dramaturgie gelegentlich zu dick aufträgt, etwa bei der dramatischen Geburtsszene, zeigt sich Charef als Meister der Andeutungen, der sozialpädagogische Belehrungen vermeidet - woraus letztlich auch die Entwicklung der Protagonistin ihre Glaubwürdigkeit bezieht.

MARIE-LINE zeichnet die Situation der Illegalen in Frankreich mit dem Blick dessen, der auf Vernunft und Nächstenliebe als menschliche Tugenden setzt. In Anbetracht der tatsächlichen Situation der Migranten in Frankreich wie im übrigen Europa ist das zweifellos eine optimistische Sicht. Unaufdringlich lehrt er den Zuschauer, dass Solidarität keine Sache großer Worte, sondern alltäglicher Taten ist.