Film des Monats: Juli 1997
Eine Welt an der Grenze zwischen sich auflösenden Traditionen, ein Stimmengewirr aus Jiddisch, Polnisch, Russisch und Romani, soziale Not und Ausbruchsversuche: so stellt sich ein Dorf im russisch-polnischen Grenzgebiet Anfang der dreißiger Jahre dar. In dieser Welt werden der christliche Junge Ivan und der jüdische Junge Abraham Freunde. Sie teilen den gemeinsamen Wunsch, der familiären Enge und den unterschwelligen Konflikten zu entfliehen. Der strenge Großvater Nachman verlangt die Aufrechterhaltung der Tradition, der sich der Vater durch längere Abwesenheit bereits entzieht. Auch Abrahams ältere Schwester Rachel, die den Kommunisten Aaron liebt, setzt sich gegen den Willen ihrer Familie durch und wird das Schtetl mit ihrem Geliebten verlassen. Ivans und Abrahams Weg in die Freiheit endet zunächst bei einem aristokratischen Pferdenarren, der ihnen ein Fohlen schenkt. Rachel kann sie zur Rückkehr ins Dorf bewegen, wo sie sich vor der ausgebrannten Ruine des Elternhauses aufgewühlt umarmen. Der Ausbruch der Gewalt hat das Schtetl vernichtet. Zaubermans Film beschwört eine zerstörte Welt, die vor dem Ausbruch der Vernichtungsgewalt in einem lebendigen Prozeß zwischen Tradition und Aufbruch begriffen war. In poetischen Schwarzweißbildern, die mit Licht und Schatten, Nähe und Ferne spielen, wird ein Raum für Erinnerung und Phantasie entworfen, in dem das Leben und die Eigenwilligkeit der Vertriebenen und Ermordeten ihren Platz finden kann. Wie in den Photographien Roman Vishniacs oder den Romanen Isaac B. Singers wird Sympathie für den Zauber und die Widersprüche des osteuropäischen Judentums spürbar. Indem die Freundschaft der Jungen die traditionellen Grenzen überschreitet, wird sie zum Hoffnungsbild: in ihrer Umarmung teilen beide die Trauer und den Schmerz über die geschehene Zerstörung und sind doch zugleich mehr als Opfer.
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