Film des Monats: Juli 1999
Jeden Abend um sechs besucht Herr Zwilling, der 70jährige Chemielehrer, Frau Zuckermann, seine 91jährige Bekannte. Beide gehören zu den wenigen Überlebenden einer ehemals blühenden jüdischen Kultur in der bukowinischen Stadt Czernowitz, die heute in der Ukraine liegt. Der melancholische Herr Zwilling, den Frau Zuckermann ihren "Ritter vom traurigen Angesicht" nennt, konnte sich nach der Verfolgung durch die Nazis nur knapp vor der Deportation in einen stalinschen Gulag retten. Frau Zuckermann hat ihre nächsten Angehörigen in den Lagern der Nazis sterben sehen. Sie sprechen über ihre Vergangenheit, Politik und Kultur, über ihre Arbeit und über die desolate Situation des Staates. Frau Zuckermann, vielsprachig und von ungebrochener Energie und intellektueller Neugier, gibt noch immer privaten Sprachunterricht.
Volker Koepp macht seine Protagonisten nicht zu exemplarischen Fällen für das Schicksal der Juden in der Bukowina. Vielmehr gelingt es ihnen gemeinsam, aus ihren Erzählungen die Physiognomie dieses grausamen Jahrhunderts hervortreten zu lassen. Koepp gibt diesen Erzählungen Raum, er findet den filmischen Rhythmus, der den Gedanken und Erinnerungen angemessen ist, und er zieht den Zuschauer, in Form einer kommentarlosen Annäherung, tief in diese Biographien hinein. Dazwischen wirft der Film aber auch einen Blick auf die Gegenwart, auf den Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde und auf die Verhältnisse eines Landes, das Gehälter und Renten nicht zahlen kann.
Herr Zwilling und Frau Zuckermann ist nicht nur eine bewegende Reflexion über eine vernichtete Kultur, sondern dokumentiert zugleich einen - von Fatalismus und leisem Humor grundierten - Überlebenswillen.
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