Film des Monats: September 2005
Nur weg von hier, das ist sein Ziel: Howard Spence, der alternde Westernheld, galoppiert durch die klassische Kulisse des Monument Valley. Spence flieht nicht etwa vor einer Bande blutrünstiger Kopfgeldjäger, sondern läuft vor einem Leben weg, das außer ein paar Whiskeyflaschen, jungen Frauen und einem drittklassigen Filmset nichts mehr zu bieten hat. Er tauscht Pferd, Hemd und Stiefel gegen ein paar schäbige Klamotten ? und kehrt nach dreißig Jahren heim zu seiner Mutter. Als er hier von der Existenz eines Kindes erfährt, von dem er bislang nichts wusste, macht er sich auf den Weg, seinem Leben durch die Begegnung mit seiner Vergangenheit wieder einen Sinn zu geben.
Was so dramatisch klingt, ist eingebettet in eine komplexe und zugleich mit leichter Hand inszenierte Reflexion über das Bild, das Hollywood von Amerika vermittelt, über die Gründungsmythen von Weite und Eroberung, wie sie in den Western zum Ausdruck kommen. Wenders macht aus diesen filmischen Stereotypen seine eigene Konstruktion und bricht die amerikanische Selbstwahrnehmung wie auch das touristische oder das über die Werbung vermittelte Amerikabild immer wieder ironisch auf. Etwa wenn über den Kopf des einsam am Lagerfeuer meditierenden Cowboys plötzlich ein Truck hinwegrast. Oder wenn Innenräume und Straßenszenen wie aus Gemälden von Edward Hopper übernommen scheinen oder die pathetisch aufgetürmten Tafelberge ins goldene Abendlicht getaucht sind.
Wenders fulminanter, bisweilen nostalgischer Panoramaschwenk über amerikanische Gegenwart und Vergangenheit, seine Mischung aus Roadmovie und Spätwestern, erzählt eine im Grunde zeitlose Geschichte von zerstörten Beziehungen, verlassenen Eltern und Kindern, von Schuld und Versöhnung. "Don't Come Knocking" stellt mit dem Protagonisten Howard Spence eine Figur in den Mittelpunkt, die ihre innere Leere mit Surrogaten wie Kino, Werbekitsch und Alkohol nicht mehr füllen kann und die sich auf die Suche nach authentischen Erfahrungen macht.
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