Film des Monats: November 2018

Die Erbinnen (Las herederas)
Regie: Marcelo Martinessi
Drehbuch: Marcelo Martinessi
Paraguay, Deutschland, Uruguay, Norwegen, Brasilien, Frankreich 2018

Chela und Chiquita leben im paraguyanischen Asunción und sind seit Jahrzehnten ein Paar – eine Tatsache, die sie immer noch vor ihren Freundinnen zu verbergen suchen. Die beiden kommen aus der Oberschicht, gearbeitet haben sie nie. Wohlhabend sind sie allerdings nicht – gerade verkaufen sie das Inventar der alten Familienvilla, Stücke, an denen vor allem für Chela Erinnerungen haften. Die Beziehung der Frauen folgt einem klassischen Muster. Chiquita ist dominant,  gibt sich taff und weiß stets, was zu tun ist. Chela dagegen kämpft mit einer Depression: Sie findet morgens kaum aus dem Bett und verbringt die Tage eher meditierend als malend vor einer kleinen Staffelei. Als die schwer verschuldete Chiquita in Untersuchungshaft muss, kommt Bewegung in die erstarrte Partnerschaft. Obwohl sie keinen Führerschein hat, lässt Chela sich überreden, ihre Freundinnen gegen Geld durch die Stadt zu kutschieren. Allmählich gewinnt sie an Selbstvertrauen. Und damit erwacht auch etwas anderes wieder: erotisches Begehren.

Im letzten Jahr, mit Filmen wie „Call Me By Your Name“ oder der Studioproduktion „Love, Simon“, hat der homosexuelle Mann im Kino-Mainstream Anker geworfen. Lesben, schon gar, wenn sie aufs Rentenalter zugehen, sind im Publikumsfilm nach wie vor kaum sichtbar. „Die Erbinnen“, geschrieben und inszeniert von Marcelo Martinessi, annonciert sein „ungewöhnliches“ Sujet allerdings nicht. Eher hintergründig, nah an den Gesichtern und Körpern der großartigen Hauptdarstellerinnen entfaltet der Film die Beziehung zweier Frauen, die nicht nur von altem Mobiliar umgeben, sondern in jeder Hinsicht in ererbten Strukturen gefangen sind - in sexuellen und sozialen Konventionen, in ökonomischen Zwängen. Und Männer müssen in Martinessis Film gar nicht anwesend sein, um Druck auf das Netzwerk auszuüben, das Bekannte, Verwandte und Freundinnen im Hintergrund der Haupthandlung spinnen. Sozialpsychologisch genau und empathisch im Detail ist „Die Erbinnen“ das geglückte Beispiel eines modernen, realistischen Frauenfilms.

Webtrailer
https://www.youtube.com/watch?v=pLPpmCnOz7I
Film-Credits
Paraguay, Deutschland, Uruguay, Norwegen, Brasilien, Frankreich 2018
Produzent:
Sebastián Peña Escobar, Marcelo Martinessi
Regie:
Marcelo Martinessi
Drehbuch:
Marcelo Martinessi
Kamera:
Luis Armando Arteaga
Schnitt:
Fernando Epstein
Darsteller:
Ana Brun (Chela), Margarita Irún (Chiquita), Ana Ivanova (Angy), Nilda Gonzalez (Pati)
Verleih:
Grandfilm
Muggenhofer Str. 132d, Bau 74, 90429 Nürnberg, Tel.:+49 0911 810 96 671, verleih@grandfilm.de, www.grandfilm.de
Preise:
2018: Internationale Filmfestspiele Berlin – Alfred-Bauer-Preis (Marcelo Martinessi), Silberner Bär (Beste Darstellerin – Ana Brun), FIPRESCI-Preis und Preis der Teddy-Leserjury des Mannschaft-Magazins 2018: Cartagena Film Festival – Beste Regie, FIPRESCI-Preis 2018: Filmfestival von Gramado – Bester lateinamerikanischer Film, Beste lateinamerikanische Regie, Beste lateinamerikanische Darstellerinnen (Ana Brun, Margarita Irún, Ana Ivanova), Bestes lateinamerikanisches Drehbuch, Publikumspreis – Bester lateinamerikanischer Film 2018: Jeonju Film Festival – Bester Film 2018: Lima Latin American Film Festival – Beste Darstellerin (Ana Brun) 2018: San Sebastián International Film Festival – Bester lateinamerikanischer Film 2018: Santiago International Film Festival – Beste Regie 2018: Seattle International Film Festival – Lobende Erwähnung (Marcelo Martinessi) 2018: Sydney Film Festival – Bester Film 2018: Transilvania International Film Festival – Bester Film 2018: World Cinema Amsterdam – Bester Film
FSK:
ab 12