Film des Monats: März 1998
Der Anwalt Mitchell Stephens ist auf dem Weg in das verschneite kanadische Provinzstädtchen Sam Dent. 14 Kinder des Ortes sind bei einem Unfall mit dem Schulbus ums Leben gekommen, die Gemeinde steht unter einem Schock und erscheint von Trauer und Ratlosigkeit wie betäubt. Stephens, Vater einer drogenabhängigen Tochter und selbst alles andere als frei von Sorgen und Enttäuschungen, sucht nach gerichtsverwertbaren Unfallursachen. Er möchte die Eltern der Opfer, die Busfahrerin Dolores und Nicole, die den Unfall querschnittsgelähmt überlebt hat, für einen Schadensersatzprozeß gewinnen.
Bei den Betroffenen stößt der Anwalt jedoch auf unterschiedlichste Motive und Interessen: sie lehnen es ab, ihm bei der Rekonstruktion der Ursachen des Unglücks behilflich zu sein. Durch die offensichtliche Lüge, die Busfahrerin sei zu schnell gefahren, verhindert Nicole schließlich den angestrebten Prozeß. Es bleibt die Trauer über den Verlust, der weder durch das Wissen um Ursachen noch durch Geld wiedergutzumachen ist.
In Egoyans Film wird die Legende vom Rattenfänger der Stadt Hameln, die diesen um seinen Lohn bringt und ihrer Kinder beraubt wird, leitmotivisch variiert. Dadurch weitet sich das Geschehen zu einer Parabel über die existentielle Dimension der Verarbeitung von Verlust und Trauer. Mit Hilfe kunstvoll verflochtener Vor- und Rückblenden unterläuft der Film immer wieder die Erwartung des Zuschauers nach kausalen Zuordnungen und linearen Verknüpfungen. Das Nebeneinander verschiedener Zeitebenen hält den Fortgang der Erzählung in der Schwebe. Dies eröffnet den Blick für die Unangemessenheit von Schuldzuweisungen, die das Unerklärbare und die eigene Verletzlichkeit nicht akzeptieren wollen.
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