Film des Monats: Februar 2006
Die anonymen Videobänder, die Fernsehmoderator Georges Laurent erhält, lösen Unsicherheit und ein diffuses Gefühl der Bedrohung aus. Ein Unbekannter scheint die Familie zu überwachen. Langsam wächst die Gereiztheit zwischen Georges, seiner Frau Anne und ihrem dreizehnjährigem Sohn. Nach einem Besuch bei seiner Mutter träumt Georges eine Szene aus seiner Kindheit. Ein Junge köpft ein Huhn, mit der Axt nähert er sich dem ängstlichen Georges. Es ist Majid, der Sohn algerischer Einwanderer, die auf dem elterlichen Gut arbeiteten und bei einer Demonstration in Paris ums Leben kamen. Die Eltern hatten ihn aufgenommen, aber der eifersüchtige Georges setzte durch, dass er den Hof verlassen musste. Hinter den Videobändern vermutet er nun Majid, den er aufsucht und zur Rede stellt. Dieser weist die Anschuldigungen von sich. Ihre Konfrontation führt zu einer Katastrophe. Schuldgefühle, Aggressivität, Misstrauen und Angst beherrschen inzwischen Georges' Familie - eine Beunruhigung, die bleibt.
Das Gefühl der Überwachung aktualisiert verdrängte Erinnerungen und führt zu einer tiefen Verstörung des geordneten bürgerlichen Lebens. Die Videos erschüttern die Sicherheiten der Wahrnehmung und des Verhaltens. Uneingestandene Schuld verkehrt sich zu einer Rachephantasie, die das Leben eines Migranten zum zweiten Mal zerstört. Hanekes Psychothriller kann einerseits als gelungene Kritik an einem Sicherheitsdenken verstanden werden, das die öffentlichen und individuellen Ängste abwehren will, die es selbst erzeugt. Er ist zugleich eine komplexe Reflektion über die Beziehung zwischen (Kamera-)Beobachtung, Selbstwahrnehmung und Gewissen, in die der Zuschauer selbst hineingezogen wird. Haneke berührt damit ein Unbehagen an der Kultur der Moderne, deren latenter Gewaltsamkeit immer wieder Menschen zum Opfer fallen.
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