Film des Monats: November 2019
„Komm mit ins Wasser“, fordert Shen Hao seinen Freund auf, aber Liu Xing sträubt sich verlegen. Er kann nicht schwimmen. Zwei Jungen an einem Stausee im Norden Chinas, und das Drama beginnt. Regisseur Wang Xiaoshuai erzählt verwoben in Rückblenden und Ellipsen über drei Jahrzehnte die Geschichte zweier Familien, die durch eine Tragödie untrennbar miteinander verbunden sind. Er spannt dabei einen Bogen von der Kulturrevolution bis in das heutige China.
Es ist die Zeit der Ein-Kind-Politik. Liu Yaojun und Wang Liyun arbeiten wie Liu Yaojuns Schwester Li Hayan und ihr Ehemann Zhang Xinjian in einer großen Fabrik. Die Söhne Liu Xing und Shen Hao sind am gleichen Tag geboren. Beide Familien haben ein enges Verhältnis zueinander. Dann passiert, was nicht passieren darf – Wang Liyun wird schwanger. Ihre Freundin, die Familienplanungsbeauftragte Li Haiyan, folgt der Parteilinie, drängt zur Abtreibung. Trägt Wang Liyun schon schwer an dieser Entscheidung, erschüttert der Ertrinkungstod ihres Sohnes bald darauf ihr Leben. Nach einer Entlassungswelle in der Fabrik ziehen sie und ihr Mann in den Süden Chinas. Dort betreiben sie eine kleine Werkstatt, adoptieren einen Sohn, leben in bescheidenen Verhältnissen. Das Verhältnis zum Adoptivsohn ist schwierig. Li Hayan und ihr Mann sind dagegen in all den Jahren zu Wohlstand gekommen. Als ein inoperabler Tumor bei ihr festgestellt wird, möchte sie Wang Liyun und Liu Yaojin ein letztes Mal sehen. Beide reisen zurück in eine moderne Stadt, die sie kaum wiedererkennen. Am Ende des Films haben zwei Familien wieder zueinander gefunden.
Wang Xiaoshuai nimmt sich Zeit: für die Figuren, die Geschichte, die Themen. Es wird wenig geredet und doch viel gesagt – über Blicke, Gesten, Bildgestaltung. „Bis dann, mein Sohn“ ist ein Film über Schuld, Vergebung und Versöhnung, der die Menschen in ihrer Zerbrechlichkeit und Stärke in den Mittelpunkt stellt. Und ganz nebenbei erzählt er ein Stück chinesische Zeitgeschichte.
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