Film des Monats: Februar 2012

Der Junge mit dem Fahrrad (Le gamin au velo)
Regie: Jean-Pierre und Luc Dardenne
Drehbuch: Jean-Pierre und Luc Dardenne
Belgien, Frankreich, Italien 2010

Aus einem Erziehungsheim versucht der 11-jährige Cyril vergeblich, seinen Vater Guy anzurufen. Nach einem Monat wollte ihn der Vater von dort wieder abholen. Am nächsten Tag schwänzt Cyril die Schule und macht sich auf den Weg zur väterlichen Wohnung. Als er den Betreuern aus dem Heim zu entkommen versucht, die ihm auf den Fersen sind, versteckt er sich in einer Arztpraxis. Dort begegnet er der Friseurin Samantha, die er fest umklammert und nicht mehr loslassen will, als die Erzieher ihn finden. Es stellt sich heraus, dass die Wohnung des Vaters leer ist. Niemand weiß, wo er sich aufhält. Nach einigen Tagen bringt Samantha ihm sein Fahrrad, das er für gestohlen hielt. Sein Vater hatte es verkauft. Gemeinsam finden sie ihn bei einem Aushilfsjob; tief verletzt muss Cyril erkennen, dass der Vater nichts von ihm wissen will. Samantha tröstet ihn. Nun besucht er sie regelmäßig. Auch die Erfahrung falscher Freunde, die in Drogenhandel und Überfälle verwickelt sind, bleibt ihm nicht erspart. Doch Samantha hält trotz aller Schwierigkeiten zu ihm.

Der Film konzentriert sich auf die Suchbewegung nach einem Zuhause, in dem Cyril sich geborgen und anerkannt fühlt. Das Fahrrad wird zur Metapher dieser Bewegung, weil es die bedrängende Dynamik und nervöse Energie verkörpert, mit der er nach einem solchen Ort für die eigene Identitätsbildung Ausschau hält. Eindringlich folgt die Kamera dem stets unruhig-impulsiven Verhalten des Jungen, der um soziale Aufmerksamkeit kämpft. Samanthas Fürsorge ist ein elementarer humaner Impuls, dem sie folgt, ohne dass dies psychologisch erklärt wird. Ein von seinem Vater verlassener Junge findet Zuwendung dort, wo er sie gar nicht erwartet hat, bei einer Fremden, deren Menschlichkeit im Kontrast wie aus dem Märchen – oder dem Kino erscheint. Wenn der Film der Verlässlichkeit familiärer Bindungen misstraut, so will er dennoch keine Welt ohne Hoffnung zeichnen.

Als Download (PDF):
Trailer:
Film-Credits
Belgien, Frankreich, Italien 2010
Produzent:
Denis Freyd, Jean-Piere und Luc Dardenne
Regie:
Jean-Pierre und Luc Dardenne
Drehbuch:
Jean-Pierre und Luc Dardenne
Kamera:
Alain Marcoen
Schnitt:
Marie-Hélène Dozo
Darsteller:
Thomas Doret (Cyril), Cécile de France (Samantha), Jérémie Renier (Guy), Egon Di Mateo (Wes) u.a.
Format:
35mm, Farbe 87 Min.
Verleih:
Alamode Film
Nymphenburger Str. 36, München Tel.:+49 089 179992-11, Fax: +49 089 179992-13, info@alamodefilm.de, http://www.alamodefilm.de
Preise:
Großer Preis der Jury, Cannes 2011; Europäischer Filmpreis 2011: Bestes Drehbuch
FSK:
ab 12
Kinostart:
9. Februar 2012